Monthly Archives: July 2015

Annamma

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sie wird mir als die Managerin des Waisenhauses vorgestellt
wir schütteln die Hände
sie bittet mich in ihr Büro
wir schauen uns in die Augen
Verständnis
Wärme
sie heißt Annamma.

ich erzähle an dem Tag nur kurz von mir
sie kurz von dem Haus,
was von dem Kindernothilfe-Verein in Duisburg unterstützt wird.
es leben 52 Jungs dort im Alter zwischen 10 und 20 Jahren.

am nächsten Tag komme ich wieder
mache Fotos
„one photo, one photo“ tönt es mir ständig entgegen,
alle wollen fotografiert werden
aber es ist schwer
wirkliche Fotos zu machen.
ich genieße einfach die Zeit mit der Bande
und meinem kleinen Assistenten, der stolz die Lampe trägt
und mich überall rumführt
(zur Kuh, zu den Hühnern, in die neu gefließten weißen Duschen,
in die Zimmer mit jeweils 20 Betten, den Garten,
dem Waschbrett mit der nassen Wäsche voller Seife,
dem Hund Rocky, dem Motorrad das vor der Tür geparkt ist)

heute gehe ich nochmal dorthin
um mich zu verabschieden.
ich setze mich zu Annamma
auf die Veranda
wir sind einfach so da und gucken auf den Hof
zwischendurch erzählen wir uns etwas
innerhalb der kleinen Schnittmenge
unseres gemeinsamen Englisch

no, I´m not married
I´m an artist…
ob ich mich dazu entschieden habe, nicht zu heiraten
ja.
ob meine Eltern damit okay sind.
ja.
ich erzähle von meinem Bruder und meiner Schwester,
von meiner Nichte und Neffen..
wie das denn so läuft in Deutschland mit dem Heiraten..
also man verliebt sich in jemanden
und wenn man will, stellt man die Person der Familie vor
und wenn man möchte, heiratet man irgendwann.
die Eltern sind meistens damit einverstanden. ; )

in Indien entscheiden die Eltern, wen man wann zu heiraten hat.
ja, ich weiß.
wir gucken wieder eine zeitlang auf den Hof
sie fragt mich, was ich denn so mache in Berlin
ich erzähle vom art-college, von meinen Fotoaufträgen, von den Ausstellungen
aah, so you forget about your life.
no…this is my life. I love it. it is just a different life…
ein paar Jungs kommen zwischendurch angelaufen und
fragen sie etwas in Malayalam.
Ihr Ton dann strenger
lauter

ob sie denn verheiratet ist..
(ich frage das nicht aus Höflichkeit,
sondern weil sie mir erzählt hatte,
dass sie dort im Waisenhaus wohnt
und es ein 24 Stunden-Job sei).
ja, sie hat 2 Töchter
die eine studiert
die andere ist fast fertig
und was ist mit deinem Ehemann?
ihr seht euch dann ganz selten?
nein, er kommt sie jeden Samstag besuchen
sie nickt dabei und lächelt,
so als wenn das ja auch völlig ausreiche…
ich lächel und nicke auch.

(nicken = mit dem Kopf wackeln)

irgendwann verabschieden wir uns wieder.
zunächst schütteln wir höflich die Hände
doch dann umarmen wir uns
lange
fest

gucken uns noch einmal an
tiefe Verbundenheit
trotz so unterschiedlicher
Lebensentwürfe
Lebensumstände
wir bedanken uns.

als ich auf der Straße so alleine zurücklaufe
bin ich irgendwie traurig
oder glücklich
oder einfach tief berührt.

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